So eine Nacht im Norden von Nova Scotia kann doch ganz schön kalt sein. Ich schwanke zwischen Hoffnung auf wärmende Wirkung der Daune bei geringer Bekleidung und dem Wunsch, soviel wie möglich anzuziehen.
Alle schwärmen von Cape Meat im Norden von Nova Scotia. Also nichts wie hin. Vorher schnell noch ein Abstecher zum Strand mit kurzem Bad im Atlantik.
Schon die Fahrt ist überwältigend.
Am Straßenende dann ein Restaurant und ein Campingplatz. Bin mir nicht ganz sicher, ob es noch weiter geht. Also erstmal die lokale Küche ausprobiert und auf Empfehlung Chowder gegessen. Dicke Muschelsuppe. Naja.
Auf alle Fälle eine gute Grundlage für die dann folgenden Abenteuer.
Ebenfalls auf Empfehlung wird der etwas windgeschützten Platz Nr. 22 am Hang bezogen.
Neue Empfehlung: 20 min Rundweg auf den nächsten Berg. Abzweigung verpasst und das Abenteuer beginnt. Da ich den kurzen Weg eh zu poplig finde, spontan dem Weg 5 zum Cape Lawrence weiter gefolgt. Zieht sich ganz schön hin. Und steinig ist es auch. Mit Barfußschuhen ist das manchmal nicht besonders lustig. Quadfahrer schießen reichlich an mir vorbei und geben in merkwürdigem Dialekt Tipps, wie ich zum Lighthouse komme. Die haben alle sichtlich ihren Spaß.
Nach langer Wanderung kommt dann der Leuchtturm vom St. Lorenz Kap in Sicht. Offensichtlich ist hier der St. Lorenz Strom wirklich zuende. Und der Wind schießt mit voller Wicht um die Ecke. Muss mich zum Fotografieren direkt hinter eine Hausruine ducken. Da kann auch niemand wohnen.
Der Turm sieht ja ein bisschen enttäuschend aus, erfüllt in dieser windigen Gegend aber wahrscheinlich super seinen Zweck.
Dann den Weg 7 gesucht und eine Andeutung von Trampelpfad an der Steilküste gefunden. Es ist gar nicht so einfach, bei diesem Gegenwind auf Kurs zu bleiben. Wie schön wäre es doch, jetzt mit dem Wind in der anderen Richtung unterwegs zu sein! Traumhafte Ausblicke auf den gegen die Steilküste anbrandenden Atlantik entschädigen mich voll.
Immer weiter geht’s an der Küste. Der Trampelpfad ist mal mehr und mal weniger zu sehen. Ein paar Metallfähnchen sind spärlich vorhanden und vom Wetter gezeichnet. Ich folge der Küste im sicheren Abstand. Tolle Ausblicke, viel Wind und langsam Zweifel, ob der Trampelpfad vielleicht von den Elchen stammt, die reichlich ihre Haufen und Hufabdrücke hinterlassen haben. Ja und siehe da, irgendwann ist der Weg dann auch zuende. Hm. Amerika ist ja auch nicht Deutschland mit seinen Ausschilderungen der Wanderwege. Und hier sehr spärlich besiedelt.
Also wieder ein Stück zurück und Ausschau nach irgendwelchen Abzweigungen gehalten. Oh, da ist ja ein Fels mit zwei Steinen drauf! Das hat bestimmt was zu bedeuten. Juhu! Dahinter ist eine Boje angebunden. So fliegt sie garantiert nicht weg und ich habe sowas schon am Anfang des Weges gesehen. Das muss mein Weg 7 sein!
Später sind jede Menge rote Bänder zur Markierung in den Bäumen. Bin auch echt froh darüber und muss spontan an den Songit den „Yellow ribbon on the old oak tree“ denken.
Auf einmal steht da ein Rind im Wald. Interessant. Als es mir spontan hinterher läuft, ist es mit meiner Freude und dem Lied schnell vorbei. Die Variante -Andrea geht vor und ich bleibe zurück- findet es nicht akzeptabel. Das ist jetzt aber schon unangenehm für mich, zumal die Hörner zum Schubsen benutzt werden. Also ich ab hinter ein paar Bäumchen. Vielleicht ist das ja zu piekrig am Schnäuzchen. Scheint auch so, aber trotzdem werde ich um die Bäume herum beschnuppert und verfolgt. Will es vielleicht Streicheleinheiten, wie die Kühe in den Alpen? Jetzt kommen auch noch die Hörnchen zum Einsatz. Ich liebe Bäume. Vor allem, wenn ich mich dahinter verstecken kann und sie mein „Schutzschild“ sind. Also spielen wir das Baumspiel eine Weile und ich versuche durch die Büsche weiter zu kommen. Aggressiv sind wir beide nicht. Sonst könnte es aber auch was erleben! Naja, stimmt so nicht, bei der Größe und Länge meines Gegenübers.. Der kleine Stock in meiner Hand ist offensichtlich ganz von alleine dahin gekommen. Am meisten stört es mich, dass die Zeit für die Rückkehr zum Campingplatz bei Tageslicht knapp wird. Und auf einmal wendet sich mein neuer Weggefährte zum Weiden einem grünen Pflänzchen zu. Jetzt nichts wie weg! Buh, ein bisschen Angst hatte ich doch.
Weiter geht es im Sauseschritt und ungehindert den breiter werdenden Weg entlang. Der sich dann gefühlt ewig hinzieht und mal rumpelig und mal gut laufbar ist. Als es dunkel wird und ich die Stirnlampe aktivieren will, habe ich nur 2 der 3 notwendigen Batterien mit. Schlecht vorbereitet und umsonst mitgeschleppt. Zum Glück hat die Powerbank auch eine Lampenfunktion. Als sich der Wanderkreis zum Weg 5 schließt, bin ich froh, auf dem richtigen Weg zu sein. In der Dunkelheit komme ich endlich auf dem Campingplatz an. Sogar der Verwalter ist noch da und muss sich erst einmal meine Abenteuergeschichte anhören.
Was für ein Tag!