Zurück in Hamburg. Wenn auch nur teilweise. Meine schwere Tasche wird durch Hamburg gefahren oder ist noch am Flughafen. Das ist nicht schön, aber so muss ich sie wenigstens nicht schleppen.
So ein leeres Gepäckband ist für Wartende kein schöner Anblick. Dank des Sky Priority Zeichens auf meinem Boardingpass komme ich aber schneller an den Schalter für vermisste Gepäckstücke. Ich bin froh, dass schon bekannt ist, dass die Tasche noch in Paris steht und mit dem nächsten Flugzeug nachkommt.
Es ist kalt in Hamburg. Vergleichsweise. Jedenfalls habe ich die Heizung im Wohnzimmer angedreht. Der Herbst ist auch hier in voller Farbenpracht. Sogar wunderschön gefärbte Ahornblätter hat er zu bieten.
Ich konnte während des Fluges nicht schlafen umd bin jetzt wirklich müde. Die Reisetasche wird wohl doch erst morgen kommen. Dann gibt es morgen noch eine Fortsetzung der Reisegeschichte.
Es regnet und das wird wahrscheinlich auch den ganzen Tag so anhalten. Schon in Island habe ich gemerkt, dass mir bei schlechteren Wetter der Abschied deutlich leichter fällt.
Noch einmal nehme ich alle Geräusche aus meiner Umgebung auf. Den leisen Regen, die Autos, die heulende Sirene, den surrenden Kühlschrank und die Stille im Schlafzimmer.
Heute ist Thanksgiving. Netterweise verschoben auf Montag, damit auch alle etwas davon haben.
Ich bin ja gespannt, wieviel mein Gepäck insgesamt wiegt. Durch die vielen Hefte und Prospekte wird es wohl eng mit der 23 kg Obergrenze werden. Ich will aber auch nichts zurücklassen. Besonders die Unterlagen über Neufundland und Labrador sind mir wichtig, denn es zieht mich mächtig dorthin. Deshalb habe ich mich bei Tante Edith schon für das übernächste Jahr wieder angekündigt. Und sie freut sich darüber. Schon die Planumg wird Spaß machen.
Die Gespräche mit meiner Tante geben mir viel. 91 Lebensjahre und viele Erfahrungen führen zu einer Weisheit, von der ich gut profitieren kann. So ist mir jetzt klargeworden, dass ich mich durch Neutralität nicht aus unangenehmen Situationen heraushalten kann. Auch damit beziehe ich eine Position für oder gegen jemanden oder etwas. Ich werde in Zukunft noch bewusster handeln. Relative Sprachlosigkeit verhindert meine Weiterentwicklung. Nur wenn ich nicht weiter aufräume, werde ich mich wohl fühlen. Miteinander sprechen ist so wichtig und dabei wichtigeThemen auszusparen, bringt mir nichts.
Zum Abschluss gehen wir noch einmal zu Vichy essen. Das ist ein beliebtes Büfett in dem Stil von „All you can it“ und sehr reichhaltig und lecker.
Ja, das war es dann erstmal mit Kanada. Ich hatte eine gute Zeit hier.
Der Check-in klappt prima. Allerdings glaubt mir die freundliche Dame am Schalter den Sky Priority Status nicht. Steht auf der elektronischen Bordkarte, passt offensichtlich nicht mit meinem Erscheinungsbild zusammen. Stimmt auch nicht mit meinem Ivory Status zusammen. Sie ist trotzdem so lieb und checkt mein Gepäck ein. Und das ist, wie befürchtet, zu schwer. Aber siehe da, nachdem ich es um die Broschüren von Nova Scotia und Neufundland erleichtert habe, ist sie zufrieden. Super.
Schnell Tschüss gesagt, denn die Dame am Check-in mahnt zur Eile, eine letzte Umarmung mit dem Cousin, ab zur Personenkontrolle und schon bin ich am Gate A 55.
Der Flug hat ein bisschen Verspätung. Das ist die Gelegenheit noch ein paar Erimnerungssocken zu kaufen.
Lange und gut schlafe ich auf dem Gästebett. Die Matratze ist ein Traum.
Nach einem ausführlichen Frühstück mit Familiengesprächen brechen wir zum Wandern in den Park National du Mont-Saint-Bruno auf. Natürlich mit dem Auto. Wir sind nicht die Einzigen, die dort hinein wollen, also stellen wir uns erst einmal an der Autoschlange zum Eingang an. Ein guter Parkplatz ist ebenfalls wichtig, schließlich geht es um die Ausgangsposition für den Trail.
Kurz noch eine Übersichtskarte im Parkinformationszentrum abgeholt und schon sausen wir los. Buntes Laub an und unter den Bäumen, zumeist Ahornblätter, aber auch Hickory Bitternuss und Eicheln sind zu sehen.
Mein Cousin kennt sich gut aus und erklärt die verschiedenen Bäume. Alles ist hier eine Nummer größer, auch die
Blätter an den Bäumen.
Es sind viele Wanderer unterwegs und auch entsprechend ausgerüstet. Ganze Familienverbände wandern an uns vorbei und sehen zufrieden aus. Natürlich gibt es einige Läufer mit eher angestrengtem Blick. Wir kommen am mindestens drei Seen inklusive Fischen vorbei.
Bis auf ein paar gelangweilte Kanada-Gänse sind kaum Tiere zu sehen. Ein großes graues Eichhorn und zwei kleine Chickadees, was dann wohl Meisen sind, lassen sich von uns nicht stören. Sie sollen hier sogar aus der Hand fressen. Ob das in Deutschland auch klappen würde?
Nach 11 km entlang sämtlicher ausgeschilderte Rundkurse sind wir wieder an unseren Ausgangspunkt und im Auto. Schnell laufe ich noch einmal los, um einen Zuckerahorn zu umarmen und schon geht’s wieder nach Hause zur Tante.
Vom Dach des Wohnhauses gönne ich mir noch einmal einen kanadischen Sonnenuntergang. Montreal hat eine interessante Skyline, die jetzt noch besser sichtbar ist.
Zum Abendbrot wird für uns noch eine Mahlzeit aus Würstchen mit Kartoffeln und Rotkohl gezaubert, letzterer in deutscher Tradition hergestellt.
Und schon ist mein vorläufig letzter kompletter Tag in Kanada vorbei.
Ich habe die Nacht gut verbracht. Ist ganz praktisch, wenn man das Campingset mit sich führt. Schlafsack, Kissen. Nackenkissen, alles kann ich gebrauchen. Die Fahrt über den St. Lorenz Strom nach Sainte-Foy ist schon beeindruckend. Hier steigen die Reisenden nach Quebec City aus.
Eine junge Frau hat ein kleines polnisches Kissen mit. Sowas muss ich mir auch unbedingt von Deutschland besorgen. Ist eine gute Möglichkeit, um Kontakte zu knüpfen. Sie ist jedenfalls aus Gdansk und lebt in Halifax. Viele nutzen das lange Wochenende mit Thanksgiving zum Verreisen. Üblicherweise gibt es nur zwei Wochen Urlaub.
Die Landschaft hat sich verändert. Weniger Wälder, stärker besiedelt, mehr Landwirtschaft. Aber auch hier wieder die schöne Laubfärbung. Die Bäume richten sich dazu nach der Länge der Tage, habe ich im Buch „Das geheime Leben der Bäume“ gelernt.
Der längere Halt in St. Hyacinthe wird verkürzt. Die Raucher sind traurig darüber.
Jetzt bin wieder bei meiner Tante. Der Zug ist sogar zu früh angekommen! Die Abholung durch Kenneth hat prima geklappt.
Und abends gab es noch Kartoffelpuffer aus der deutschen Backmischung.
Da ist sie, die lange eingeforderte Laubfärbung. Gestern ist sie mir erst richtig aufgefallen. Die Ahornbäume präsentieren sich jetzt rechts und links der Bahnstrecke ganz in ihrer roten Pracht. Ist das alles Zuckerahorn? Die Produzenten des bekannten Sirups? Wohl nicht, meint der Verkäufer im Zugbistro. Mir gefällt es. Da passt es doch gut, dass ich gestern noch das Pancake Grundset erworben habe. Die Backmischung mit Ginger, ein Fläschchen Acadin Maple Syrup und ein paar Spezialkekse auf Sirupbasis.
Ja, ich bin wieder auf dem Weg zurück nach Montreal. Auch diesmal habe ich ein gut gekühltes Zweierplätzchen mit direkter Aussicht auf das kanadische Umland. Neben mir am anderen Fenster sitzt ein älterer Herr, der auch nach St. Lambert will. Auf meine Anschwatzversuche ist er nicht wirklich eingegangen. Hörbar ein Französischkanadier. Jedenfalls hat er nichts zum Spielen mit und schaut so vor sich hin. Zum ersten Mal in seinem Leben, also nach 81Jahren, fährt er mit dem Zug.
Da sitze ich also, fahre durch diese herrliche Landschaft und bin mit meinem Ausflug nach Nova Scotia recht zufrieden. Und das bei herrlichem Sonnenschein. Was will ich mehr. Es ist eine gemütliche Art, durch Kanada zu reisen. Zur Zeit sind wir pünktlich! An jedem unbeschrankten Bahnübergang lässt der Zug sein Horn ertönen. Und davon gibt es viele.
Ansonsten ähneln die Abläufe während der Fahrt denen bei der Transsibirischen Eisenbahn. Bei Einfahrt in den Bahnhof wird vom Personal eine Tür geöffnet und die Treppe ausgefahren. Der Bahnbegleiter steigt aus. Die draußen stehenden Reisenden zeigen den Fahrschein vor und steigen ein. Dann werden die Raucher wieder eingesammelt, wenn zum Rauchen überhaupt Zeit war. Alles steigt ein, die Treppe fährt zurück und die Tür wird mit einem Schlüssel hydraulisch geschlossen. Per Walky Talky erfolgt die Vollzugsmeldung an wer weiß wen.
Immer wieder sieht man an der Strecke noch leergelaufene Flüsse. Es ist gegen 17 Uhr und da gibt es Ebbe in der Bay of Fundy und somit auch in den verbundenen Flüssen.
Den halben Tag in Halifax habe ich natürlich noch voll ausgenutzt. Die junge Dame, die nachts in dem Mädchenzimmer unbedingt noch das Licht anmachen musste, war sogar aus Deutschland. Ein Jahr frei und sie will es auf sich zukommen lassen, wohin es sie verschlägt.
Das Einwanderungsmuseum am Pier 21 war für mich vor allem unter dem Aspekt interessant, dass Tante Edith dort vor etwa 60 Jahren mit dem Schiff gelandet ist.
Hoch oben im Halifax gibt es auch eine Bastille. Von dort haben ich einen guten Blick auf die Stadt und die Waterfront.
Um 13 Uhr soll der Zug abfahren. Also noch schnell mein Lieblingsessen Fish and Chips geordert und mit Blick auf das Wasser genossen. Schmeckt deutlich besser als in Hamburg.
Ich zerre mein Übergepäck zum Bahnhof und stelle mich erstmal an die Schlange nach Montreal. Der Zug hat sogar einen Panoramawagen! Aber nicht für mich. Nur für die Schlafwagengäste. Ist okay so.
Inzwischen igeht die Sonne unter. Alles inklusive.
So eine Nacht in der Nähe des Wassers kann doch recht feucht sein. Mir ist nachts ziemlich kalt und so ein feuchtes Zelt macht auch wenig Freude. Also ziehe ich entgegen meiner Daunensacktheorie irgendwann nachts noch eine Schicht extra über.
Das Flutwasser höre ich ziemlich laut in der Dunkelheit rauschen. Früh ist wieder Ebbe und das Wasser zum Horizont hin verschwunden. Sehr beeindruckend. Später stehen jede Menge Möwen auf dem roten Schlick. Auf was sie wohl warten?
Das nächste Highlight ist ein Leuchtturm. Wieder die gleiche Bauart und liebevoll restauriert. Über zwei kurze Leitern kann man schnell in die Spitze aufsteigen.
Grande Pre, die historische Welterbestätte, schaue ich mir nur kurz an. Soviel habe ich gestern verstanden, dass die Oberhoheit über das Gebiet auch die Kontrolle über die Atlantikküste von Kanada sicherte und deshalb strategisch so wichtig war. Die Franzosen haben damals verloren und wurden deportiert.
Die Gegend an der Bay of Fundy ist sehr fruchtbar. Wein, Obst und Kürbisse wachsen hier am besten. Sieht aus wie im Alten Land bei Hamburg. Die drei gekauften Musterfrüchte werde ich erst später probieren. Die dazu gegebenen Pflaumen sind noch sehr unreif und verleiden mir weitere Kostproben. Vom Verkäufer erfahre ich jedenfalls, wie ich zu den Giant Pumpkins komme. Das ist ein Farmland der Familie Dill mit unglaublich großen Kürbissen. Diese Größe erreicht man wohl durch den besonderen Samen. Sie werden dann gehegt und gepflegt. Sogar mit Decken wie ein gestrandeter Wal bedeckt (gegen Frost und Rehbisse). Zwei Mütter waren gerade dabei, als Kürbisse angezogene Babys auf eben diesen zu fotografieren. Hat bei den Kleinen wenig Freude ausgelöst.
Eine Frau zeigt mit die Liste der weltweit schwersten Kürbisse, die sie führt. Sogar Jemand aus Deutschland ist dabei.
Ein bisschen was von der Bay of Fundy möchte ich schon noch sehen. Also fahre ich nach Norden in einen kleinen Hafen. Werde auch langsam hungrig und damit knurrig. Also rein in den Souvenirshop und dort einen kleinen Lobster bestellt. Mit Kartoffelsalat. Und zack steht ein Tablett auf dem Tisch, ein Hummer wird von der Kassiererin dort hineingesetzt und starrt mich vorwurfsvoll an. Ups, so hatte ich das gar nicht gemeint oder doch? Also ich raus aus dem Shop mit dem Tablett in Richtung Kochstätte. Ist ja schon was anderes, wenn man den, den man später essen will, vorher noch persönlich kennenlernt!
Der Koch hat da überhaupt keine Gewissensbisse und schmeißt ihn sofort in seine große Kochmaschine. Als der Hummer wieder bei mir ist, lasse mir von der Kellnerin noch den richtigen Verzehr erklären. Das Angebot vom Nachbartisch für ein Foto mit Hummer lehne ich glatt ab. Ich wars nicht, der Koch hat getan! Trotzdem schmeckt der Lobster gut. Vor allem in dieser passenden Umgebung.
Auf dem Weg nach Süden in Richtung Lunenburg komme ich an einem Ort mit Namen New Germany vorbei. Erst denke ich, er ist schon verlassen worden, aber hinter den ersten leerstehenden Gebäuden folgt eine ganze Stadt. Sogar den Friedhof schaue ich mir an, kann aber keine deutschen Namen auf den alten Grabsteine entdecken.
Und wieder zieht sich die Fahrt durch die Wälder endlos hin. Wenigstens bin ich mit der Tankfüllung diesmal schlauer und tanke beizeiten. Oder besser lasse tanken mit Full Service. Ein junger Mann bedient mich. Kostet wohl etwas mehr, aber so mache ich oder besser er alles richtig, bekomme meine Scheibe geputzt und benutze fleißig meine Kreditkarte.
Als ich auf dem Campingplatz „Top on the Hill“ ankomme, ist die Rezeption schon geschlossen. Ein anderer Camper mit riesigem Wohnbus meint, ich soll einfach bleiben. Mit Code für den Waschraum und WiFi ausgerüstet schlage ich bei untergehenden Sonne mein Zelt zwischen zwei Schweizer Wohnmobilen auf.
Diesmal schreibe ich den Post im Auto. Die Steckdose im Waschraum funktioniert nicht. Ach, wie bin ich doch von Licht, Strom und WiFi anhängig! Aber zum Glück ist das zumeist verfügbar.
Der neue Tag beginnt einigermaßen windstill und mit wärmendem Sonnenschein. Auf dem riesigen Campingplatz sind wirklich nur ich und ein paar Krähen. Also die Kamerabatterien weiter aufgeladen, gefrühstückt, den Parkranger nach dem besten Weg in Richtung Lunenburg gefragt, den parkeigenen Strand besucht und ab auf die Piste. Natürlich wieder in die falsche Richtung. So kann ich noch einmal das 400 m Schild von gestern bewundern.
Um die Fahrt um Cape Breton wirklich abzurunden, nehme ich die Route Fleur de Lis. Und die zieht sich gefühlt unendlich hin. Irgendwann habe ich von den vielen Bäumen links und rechts so die Nase voll, dass ich mir vornehme, beim Verlassen der Insel direkt auf dem Transcanada Highway weiterzufahren. Von dieser Seite mit Küste habe ich genug gesehen. Zumal mich auch die Tankanzeige langsam unruhig macht. Und es kommt und kommt einfach keine Ortschaft vorbei. Nur vereinzelt sind ein paar Häuser zu sehen.
Dann steht da eine kleine Frau an der Straße und will mitgenommen werden. Ich checke kurz die von ihr ausgehende Gefahr und halte an. Sie kommt angehechelt und klettert ins Auto. Die Zigarette hätte sie vorher nicht unbedingt rauchen müssen! Egal. Zusammen fahren wir nach St. Peter’s. Eine gerade jetzt auftauchende kleine Tankstelle ignoriere ich dann doch. Ein Plaudertäschchen ist meine neue Weggefährtin jedenfalls nicht. Vielleicht hat sie der Josef, der gerade aus meinem Lautsprecher jodelt, zu sehr verschreckt. Danach ist zum Glück Celine Dion zu hören. Die kennt sie. In St. Peter’s will sie aussteigen, was mir ganz entgegen kommt. Habe ich doch dort eine Tankstelle gesehen. Schnell lasse ich das Auto volltanken; geschafft.
Zur Belohnung gibt’s für mich Fish and Chips. Lecker. So sind beide, die Fahrerin und das Auto, zufrieden und satt.
Nur ein kurzes Stück noch und es geht runter von Cape Breton Island und ab auf den Highway nach Truro. Manchmal darf man sogar 110 km/h fahren. Sehr praktisch mit dem Tempomat.
Da ich erst morgen nach Lunenburg fahren möchte, biege ich vom Highway nach Nordwesten ab und komme zu meiner Freude an einer Touristeninformation vorbei. Vorher hat mich vom Auto aus schon ein riesiger, trocken liegender Flusslauf beeindruckt. Von der Information winkt die „Offen“ Flagge nach mir und lädt mich zum Besuch ein.
Mit vielen guten Tipps für die nächsten beide Tage ausgerüstet, fahre ich jetzt an der Küste mit den höchsten gemessenen Gezeiten entlang. Um 18:29 Uhr soll bei Burnthead perfekt die Ebbe auf ihrem niedrigsten Stand zu sehen sein. Vorher besichtige ich noch Kanadas ältesten Laden. Der Sohn des Besitzers gibt mir jede Menge Unterrichtsmaterial für die Kinder in der Osterbrookschule mit. Was für eine Freude auf beiden Seiten!
Und dann eine nie gesehene Ebbe.
Vor Begeisterung bin ich hin und weg. Überhaupt gefällt mir dieser Teil von Nova Scotia viel besser. Die Laubfärbung ist weiter fortgeschritten, es ist wärmer und der Wind wahrscheinlich gerade in den Highlands unterwegs.
Die bereits einsetzende Dämmerung macht mir klar, dass ich es bis zu dem vorgeschlagenen Zeltplatz vor der Dunkelheit nicht mehr schaffe. Und das Gesuche gestern muss ich nicht noch einmal haben. Auf der Karte ist an der Strecke ein Zelt eingezeichnet. Nehme ich. Die Fahrt dahin ist der absolute Tageshöhepunkt! Die Sonne geht gold-rot schimmernd über dem gerade nicht vorhandenen Wasser unter. Wunderschön!
Endlich kommt der Campingplatz in Sicht. Schnell runter zum Wasser und die letzten Sonnenstrahlen zusammen mit dem Verwalter bewundert. Herrlich!
Diesmal baue ich im Mondschein das Zelt auf. Geht gut. Übung ist alles.
WiFi gibt es auch und die etwas abgelegenen Waschräume bieten danach wieder die gewohnt kuschlige Umgebung zum Abendessen und Posts schreiben. Kleine Einschränkung: Sie werden um 22 Uhr abgeschlossen und irgendwie werden meine Posts immer länger. Dann setze ich mich eben ins Auto. Das war ein guter Tag.
Pünktlich zum Sonnenaufgang vor 7 Uhr aufgewacht. Windig und sehr frisch; aber im Zelt sozusagen in der ersten Reihe liegend. Ich werde nicht enttäuscht.
Dann das Zelt abbauen und alles ins Auto stopfen. Wie praktisch, dass frau in das Chevrolet alles ohne Weiteres hineinwerfen kann. Daneben steht ein Yaris, den ich eigentlich bestellt hatte. Sieht schon bedeutend mickriger aus.
Den Wandertrail Nr. 1 will ich heute auf alle Fälle noch gehen. Und laufe nochmal daran vorbei! Erst als ich in der Schlucht seine Fortsetzung sehe, fällt mir auch die Abzweigung auf. Klar und deutlich mit roten Bändern gekennzeichnet. Oje. Schöner Rundblick dann von oben. Gut dass ich gestern schon unterwegs war, denn jetzt ist die Sonne erstmal weg.
Langsam tuckere ich den Cape Breton Trail lang. Unendliche Mischwälder und kleine Häfen wechseln sich ab. Die Laubfärbung kommt leider nur langsam voran. Ein Wasserfall mit langer Anfahrt entspricht meinen Erfahrungen mit kanadische Wasserfällen jedenfalls nicht. Aber der Leuchtturm macht sich gut in der Landschaft.
Die Wanderung gestern hat doch ganz schön geschlaucht. Waren ca. 25 km und man bedenke den Gegenwind! Hätte ich früher locker weggesteckt. Jammer, Jammer. Also mache ich zur Erholung auf einem Rastplatz ein Schlafpäuschen.
Irgendwann ist der Nationpark zuende und der Sonnenuntergang droht. Wo heute übernachten? Also auf nach Louisburg über Sydney.. Da muss irgendwas historisch wichtiges für Kanada passiert sein. Den Campingplatz davor kann ich aber nicht finden. Und den von Google Maps angegebenen gibt es offensichtlich nicht mehr.
Da, ein Schild mit einem Zeltzeichen! Hatte ich schon vorher gesehen aber nicht die richtige Abbiegung gefunden. Inzwischen ist es dunkel und ich sause erstmal weiter in die Nacht; erstaunt, wie weit 400 Meter sind. Also wieder zurück. Wieder 400 Meter, Provinzpark? Häh? Am Eingang springt ein Ranger aus dem Gebäude und erklärt mir sofort die Selbstregistrierung. Mit Geld – Geld in Tüte und Einwurf in Säule oder mit Kreditkarte – Anruf am Service Telefon. Ich nehme letzteres und lerne mit der freundlichen Dame am anderen Ende wieder jede Menge dazu. Netterweise will sie auch wissen, ob ich schon älter als 16 bin. Die Buchungsnummer kommt dann auf ein ausliegendes Kuvert und ich suche in der Dunkelheit die Stelle mit der 28. Hat der Ränder empfohlen. Nahe an Waschraum und etwas windgeschützt. Windig ist es hier auch wieder. Fast noch mehr als auf Meat Cove.
Und dann, es tut mir so leid für die Umwelt, baue ich mein Zelt im Schweinwerferlicht des laufenden Autos auf. Drehe es sogar noch einmal mit der Fußseite gegen den Wind. Bitte verzeiht mir, oh ihr kanadischen Wälder!
Die Nähe zu den Waschräumen ist top. So verbringe ich den Abend mal wieder windgeschützt und hellbeleuchtet zwischen Toiletten, Duschen und Waschbecken. Und das alles für 35,60 kanadische Dollar. Gute Nacht ihr Lieben.
So eine Nacht im Norden von Nova Scotia kann doch ganz schön kalt sein. Ich schwanke zwischen Hoffnung auf wärmende Wirkung der Daune bei geringer Bekleidung und dem Wunsch, soviel wie möglich anzuziehen.
Alle schwärmen von Cape Meat im Norden von Nova Scotia. Also nichts wie hin. Vorher schnell noch ein Abstecher zum Strand mit kurzem Bad im Atlantik.
Schon die Fahrt ist überwältigend.
Am Straßenende dann ein Restaurant und ein Campingplatz. Bin mir nicht ganz sicher, ob es noch weiter geht. Also erstmal die lokale Küche ausprobiert und auf Empfehlung Chowder gegessen. Dicke Muschelsuppe. Naja.
Auf alle Fälle eine gute Grundlage für die dann folgenden Abenteuer.
Ebenfalls auf Empfehlung wird der etwas windgeschützten Platz Nr. 22 am Hang bezogen.
Neue Empfehlung: 20 min Rundweg auf den nächsten Berg. Abzweigung verpasst und das Abenteuer beginnt. Da ich den kurzen Weg eh zu poplig finde, spontan dem Weg 5 zum Cape Lawrence weiter gefolgt. Zieht sich ganz schön hin. Und steinig ist es auch. Mit Barfußschuhen ist das manchmal nicht besonders lustig. Quadfahrer schießen reichlich an mir vorbei und geben in merkwürdigem Dialekt Tipps, wie ich zum Lighthouse komme. Die haben alle sichtlich ihren Spaß.
Nach langer Wanderung kommt dann der Leuchtturm vom St. Lorenz Kap in Sicht. Offensichtlich ist hier der St. Lorenz Strom wirklich zuende. Und der Wind schießt mit voller Wicht um die Ecke. Muss mich zum Fotografieren direkt hinter eine Hausruine ducken. Da kann auch niemand wohnen.
Der Turm sieht ja ein bisschen enttäuschend aus, erfüllt in dieser windigen Gegend aber wahrscheinlich super seinen Zweck.
Dann den Weg 7 gesucht und eine Andeutung von Trampelpfad an der Steilküste gefunden. Es ist gar nicht so einfach, bei diesem Gegenwind auf Kurs zu bleiben. Wie schön wäre es doch, jetzt mit dem Wind in der anderen Richtung unterwegs zu sein! Traumhafte Ausblicke auf den gegen die Steilküste anbrandenden Atlantik entschädigen mich voll.
Immer weiter geht’s an der Küste. Der Trampelpfad ist mal mehr und mal weniger zu sehen. Ein paar Metallfähnchen sind spärlich vorhanden und vom Wetter gezeichnet. Ich folge der Küste im sicheren Abstand. Tolle Ausblicke, viel Wind und langsam Zweifel, ob der Trampelpfad vielleicht von den Elchen stammt, die reichlich ihre Haufen und Hufabdrücke hinterlassen haben. Ja und siehe da, irgendwann ist der Weg dann auch zuende. Hm. Amerika ist ja auch nicht Deutschland mit seinen Ausschilderungen der Wanderwege. Und hier sehr spärlich besiedelt.
Also wieder ein Stück zurück und Ausschau nach irgendwelchen Abzweigungen gehalten. Oh, da ist ja ein Fels mit zwei Steinen drauf! Das hat bestimmt was zu bedeuten. Juhu! Dahinter ist eine Boje angebunden. So fliegt sie garantiert nicht weg und ich habe sowas schon am Anfang des Weges gesehen. Das muss mein Weg 7 sein!
Später sind jede Menge rote Bänder zur Markierung in den Bäumen. Bin auch echt froh darüber und muss spontan an den Songit den „Yellow ribbon on the old oak tree“ denken.
Auf einmal steht da ein Rind im Wald. Interessant. Als es mir spontan hinterher läuft, ist es mit meiner Freude und dem Lied schnell vorbei. Die Variante -Andrea geht vor und ich bleibe zurück- findet es nicht akzeptabel. Das ist jetzt aber schon unangenehm für mich, zumal die Hörner zum Schubsen benutzt werden. Also ich ab hinter ein paar Bäumchen. Vielleicht ist das ja zu piekrig am Schnäuzchen. Scheint auch so, aber trotzdem werde ich um die Bäume herum beschnuppert und verfolgt. Will es vielleicht Streicheleinheiten, wie die Kühe in den Alpen? Jetzt kommen auch noch die Hörnchen zum Einsatz. Ich liebe Bäume. Vor allem, wenn ich mich dahinter verstecken kann und sie mein „Schutzschild“ sind. Also spielen wir das Baumspiel eine Weile und ich versuche durch die Büsche weiter zu kommen. Aggressiv sind wir beide nicht. Sonst könnte es aber auch was erleben! Naja, stimmt so nicht, bei der Größe und Länge meines Gegenübers.. Der kleine Stock in meiner Hand ist offensichtlich ganz von alleine dahin gekommen. Am meisten stört es mich, dass die Zeit für die Rückkehr zum Campingplatz bei Tageslicht knapp wird. Und auf einmal wendet sich mein neuer Weggefährte zum Weiden einem grünen Pflänzchen zu. Jetzt nichts wie weg! Buh, ein bisschen Angst hatte ich doch.
Weiter geht es im Sauseschritt und ungehindert den breiter werdenden Weg entlang. Der sich dann gefühlt ewig hinzieht und mal rumpelig und mal gut laufbar ist. Als es dunkel wird und ich die Stirnlampe aktivieren will, habe ich nur 2 der 3 notwendigen Batterien mit. Schlecht vorbereitet und umsonst mitgeschleppt. Zum Glück hat die Powerbank auch eine Lampenfunktion. Als sich der Wanderkreis zum Weg 5 schließt, bin ich froh, auf dem richtigen Weg zu sein. In der Dunkelheit komme ich endlich auf dem Campingplatz an. Sogar der Verwalter ist noch da und muss sich erst einmal meine Abenteuergeschichte anhören.