Freundschaftsreise am Harz entlang

Wie leise es um mich herum ist. Keine Autogeräusche, Flugzeuge, Kinder,…. Ich bin in Thale und übernachte bei einer Freundin. Schon seit gestern werde ich um- und versorgt. Wie komme ich jetzt am besten nach Wernigerode?  Mit dem Bus oder der Bahn? Versuchen wir es erstmal mit dem Bus. Bahn hatte ich schon öfter und der Bus ist früher dort. Wenn er mich mitnimmt. Schließlich will ich zur Betriebsbesichtigung in meinen ehemaligen Betrieb pünktlich vorrollern.

Also alles zusammengepackt, Rolphie und mich beladen und wieder geht’s los. Die Freundin läßt es sich nicht nehmen,  mich zu begleiten. Vor der Kreuzung am Bahnhof drängt sie auf einen Wechsel der Straßenseite,  weil nur dort der Fußgängerweg durchgehend ausgebaut ist. Gesagt getan. Da klatscht es hinter uns auf einmal dumpf; Bremsen quietschen. Wir drehen uns um. Zu meinem Entsetzen liegt an eben dieser Kreuzung jetzt eine Frau vor einem Auto. Ein Mann schreit den Fahrer an: „Fahr zurück,  zurück! „.  Die Frau ist wie betäubt,  bewegt sich aber vorsichtig. Was tun? Leute starren entsetzt auf die Unfallstelle. Helfer eilen herbei. Ich werde weitergeschoben.  Der Bus fährt bald!

Ohne weiteres werden wir mitgenommen. Es gibt sogar einen Rollstuhl Stellplatz für Rolphie. Viele Mitfahrer kennen sich und es herrscht eine fröhliche Atmosphäre. Unglaublich,  wo wir überall langfahren. Ortsnamen erinnern an frühere Fahrten zur Arbeit. Kreuz und quer, hin und her, nähern wir uns Wernigerode. Herrlicher Sonnenschein, halt Altweibersommer.

Ich kämpfe die Schmerzen im Fuß von der gestrigen Quälerei nieder, sause mit Rolphie zur nächsten Freundin, werfe ihr meinen Rucksack unter den Tisch und ab geht’s zur Betriebsbesichtigung. Dieser lang vermisste Produktionsgeruch! Ach ja. Der letzthin doch so junge Kollege hat jetzt weiße, sehr kurze Haare. Die Kollegin hat sich gut gehalten und verhilft den Haaren mit Farbe zu bleibender Jugend. Nach einem allgemeinen Proberollern verabschieden wir uns für die nächsten 10 Jahre. Ich habe viel aus der damaligen Zeit vergessen. War keine wirklich wichtige Entwicklung in meinem Leben. Die private Trennung hat damals viel überlagert. Der berufliche Rauschschmiss war dann ein Glücksfall.

Der Tag findet einen perfekten kulinarischen Abschluss am chinesischen Büfett.

Wernigerode bei Nacht
Rathaus Wernigerode

Die Nacht ist kalt. Der Winter kommt. In plüschigem Bettzeug verbringe ich eine gute Nacht.

 

 

Diese „Neubau“-Wohnung ist genauso geschnitten, wie unsere damals in Thale. Das Bad ein modernisiertes Abbild. Schmal, zu kurz für eine Waschmaschine,  zweckmäßig.

Bad in Wernigerode
Einheitsbad im Plattenbau

Wernigerode ist eine schöne Stadt in wunderbarer Umgebung. Wir gehen zum Schloss, wärmen uns in einem Schafffell, essen eine Waffel und trinken Kaffee.

Halloween schickt seine ersten Boten.

Die Rückfahrt ohne Schnellzüge ist geruhsam und pünktlich.

Alles gut. Schönes erfülltes, langes Wochenende.

Die Eier, die mir so ein paar Rotzgören an Fenster werfen, können das auch nicht kaputt machen.

Halloween
Mal ein Auge drauf werfen.

 

 

Stürmisch durch den Harz

Die Zeitumstellung verschiebt das Aufstehen nach hinten, ändert aber nichts daran, dass ich raus muss in diesen Sturm. Walter warnt vor nicht fahrenden Zügen und bietet seine Hilfe an. Ich werde nach Thale rollern. Dazu habe ich Rolphie Sausewind ja mit. Der Harzlauf soll heute stattfinden. Bei dem Wind? Bin gespannt und will nicht recht daran glauben. Zweimal zur Roßtrappe hoch und wieder runter. Werde ich das mit Freude schaffen oder wird das eine Quälerei? Ich wull die Laubfärbung sehen und nun verfliegt  sie und liegt vor meinen Füßen.

Alles wieder sichtbar
Sichtachse

Also schnell den Garten noch einmal bei Tageslicht inspiziert. Endlich herrscht wieder Durchblick. Fast einen ganzen Tag habe ich gemäht, gezupft, gerupft, gezerrt und gestapelt. Unglaublich wie Brennnessel,  Goldrute und Brombeere alles durchwachsen und durchschlingen, wenn ihnen nicht Einhalt geboten werden.

Los geht’s. Mit Rucksack, Fahrradtasche und Optimismus. Das wird nicht einfach aber bestimmt ein gutes Training,  wenn der Lauf ausfallen sollte.

Hinter Quedlinburg wird der Wind spürbar. Ich komme an der Ruine von Berndt’s Autowerkstatt vorbei.  Was ist hier passiert?  Ein Brand?

Damit der Sturm mich nicht packt, weiche ich auf den Radweg aus, der sich an der Bode entlangschlängelt. Das Abstoßen von Rolphie wird  wieder einfacher. Oh, das erste Sturmopfer kommt in Sicht. Wie schnell kippt so ein Baum im Sturm wohl um? Habe ich dann noch Zeit zum Ausweichen? Egal, jetzt klettern wir erst einmal über das quer liegende Hindernis.

Sturmopfer
Von Sturm gefällt

Wir übersteigen noch mehrere Bäume und ich sehe die Bahn nach Thale fahren. Oh, so spät ist das schon? Das schaffen wir noch. Vielleicht sollte ich weniger Fotos machen und mehr treten? Wir kommen unbehelligt nach Neinstedt. Die Straßen sind leergefegt und ich nehme Fahrt auf.

Nicht lange und ich spüre zum ersten Mal bewusst die kanalisierende Wirkung des Harzes auf den Wind. Meine Freude am Rollern verfliegt in dem Moment als ich das Ortsausgangsschild von Neinstedt passiere. Der Sturm trifft mich mit voller Wucht – von vorn. Hatte ich ernsthaft auf Rückenwind gehofft?

Vor mir kämpft ein Radfahrer mit dem Sturm und ist auch nicht schneller unterwegs. Soll ich vielleicht auf die Höhen Ausweichen? Ich bin schon auf der halben Strecke völlig fertig, schiebe teilweise, in der Hoffnung, dass es damit leichter wird. Wenn ich doch wenigstens schon an der Kreuzung wäre! Insgeheim beschließe ich, bei meiner Ankunft nur den Thermengutschein einzulösen und den Lauf Lauf sein zu lassen. Ich kann nicht mehr. Walter, wo bist du?

Mein Telefon klingelt. Meine Freundin. Soll ich das Handy aus der Lenkertasche pulen? Ich versuche es. Stopfe es unter Kapuze und Mütze an mein Ohr und frage mich gleichzeitig,  ob ich bei dem Getöse überhaupt etwas verstehen werde. Sie hat erfahren, dass der Lauf

abgesagt ist. Was für ein Glück!  Schnell rufe ich ins Telefon: „Ich komme“  und schon ist die Kraft zurück und wir nehmen Fahrt auf. Wer auch immer von meinen Vorfahren diese Kraftschonung für mich geregelt hat, danke.

Also frohgemut weiter gegen den Wind angekämpft und das Zentrum von Tage erreicht.

Sturmopfer
Die ehemalige Stadtinformation

Auf dem Dach der ehemaligen Stadtinformation wird gerade ein Baum gesägt. Überall herrscht hektisches Einpacken von Imbuss-Buden, Blätter und Tüten fliegen durch die Gegend, aber wo ist die Startnummernausgabe?

Der Mann dort sieht aus, wie ein Läufer. Ich frage ihn. Er sucht auch, läuft zum Kaffeelöffel und umarmt einen Mann, der sich als Organisator outet.  Neben ihm ein Reporter der Regionalzeitung, der meine Geschichte gleich in sein Diktiergerät spricht. Ich bin ziemlich enttäuscht, dass keine Information der Läufer stattfindet, versuche noch Verbesserungspotential aufzuzeigen und gebe schließlich auf als ich merke, dass mein Anliegen nicht verstanden wird.

Friedenspark
Das wäre ihr Start gewesen

Blätter umtanzen mich in wildem Reigen. Sonne und Regentropfen wechseln sich ab.

Hexe, dumm gefallen
Ein weiteres Sturmopfer

So geht’s völlig entspannt in die Poststraße zum Erholen und Entspannen.

Juhu, ich bin da.
Endlich angekommen. Mit Sack, Pack und Roller.

Ich freue mich auf meine Lieblingstherme im Bodetaltherme und gönne mir 4 Stunden mit Harzlauf-Rabatt.

Sonnenbad
Bodetalthermenblick

Herrlich! Es wird ausführlich mit Klangschalen und Poweraufgüssen sauniert,  mit Salz und Kaffee gepeilt, gedampft, gesprudelt und gekneipt. Jo. Vier Stunden reichen dann auch erstmal. Es wird immer voller in der Therme. Am Ausgang gibt es schon einen Stau wegen Überfüllung. Mein Schlüsselband wird sehnsüchtig erwartet.

Der Tag endet mit Pelmeni und guten Gesprächen in angenehmer Atmosphäre.

Pelmenie
Ich liebe Pelmeni